Da Wahrnehmung und Erinnerung neuronale Verarbeitungsprozesse sind, können dabei manchmal Fehler auftreten. Während Wahrnehmungstäuschungen bereits seit längerem untersucht und erforscht wurden, war dies bei Erinnerungstäuschungen erst seit den 1960er Jahren in vergleichbarer Form der Fall. Seitdem ist es in Experimenten gelungen, durch unterschiedliche Verfahren die Erinnerungen von Probanden in Bezug auf schwerwiegende Einzelheiten zu verzerren oder gar Pseudoerinnerungen an neue Ereignisse ins Gedächtnis einzupflanzen.
Erinnerungsfälschungen können als Folge einer Suggestion oder einer Hypnose wie auch spontan (ohne äußere Beeinflussung) unter Stress oder bei Erschöpfungszuständen auftreten. Der Begriff ist damit methodisch abgrenzbar gegen pathologische Wahnvorstellungen, wie sie als Symptom einiger psychischer Störungen auftreten können.
Wesentlich ist, dass die gedankliche und gefühlsmäßige Reproduktion des Gedächtnisinhaltes als Abbild eines vergangenen, wachbewussten Geschehens erlebt wird – anders als bei einer Erinnerung an einen Traum, eine Vision oder eine aktive Imagination: Dort ist dem Erinnernden bewusst, dass seiner Erinnerung keine solche äußere Realität entspricht. Auch im Fall einer lückenhaften, vagen Erinnerung ist sich der Erinnernde dieser Unvollständigkeit und Unvollkommenheit bewusst.
Durch Suggestion eingeredete, falsche Ereignisse nehmen an Plausibilität zu, je häufiger sie erwähnt werden, je konsistenter sie sind und je öfter die Person sich die Situation bildlich vorstellt.[6] Die daraus resultierenden Erinnerungen sind oft sehr detailreich, emotional und für die Person sehr glaubwürdig.[7]
Eine Studie zeigte, dass Suggestion vor allem bei emotionalen Inhalten sehr erfolgreich ist. So glaubten 100 Erwachsene aufgrund ihrer lebendigen und emotionalen Erinnerungen, sie seien in ihrer Kindheit sexuell misshandelt worden. Es stellte sich heraus, dass diese Erinnerungen durch die suggestiven Techniken ihrer Therapeuten erzeugt wurden und durch die wiederkehrende Wiederholung und Auseinandersetzung mit diesen „Erinnerungen“ immer mehr an Details und Glaubwürdigkeit gewannen und sich verfestigten
Menschen schenken emotionalen Stimuli mehr Beachtung als neutralen. Durch Stresshormone werden die Erinnerungen an diese Stimuli gefestigt. Da emotionale Erinnerungen öfter abgerufen und überdacht werden, werden sie zusätzlich verstärkt. Dies geschieht aber nicht nur bei tatsächlichen Erinnerungen, sondern auch bei Erinnerungsverfälschungen. Falsche Erinnerungen treten im emotionalen Kontext leicht auf. Dabei ist es egal, ob die jeweilige Situation starke negative oder positive Gefühle hervorruft. Negative Emotion führt dazu, dass sich die Person auf das Zentrum des Geschehens konzentriert und die Peripherie anfällig für Erinnerungsfehler wird. Bei einem Überfall liegt der Fokus beispielsweise auf dem, was am negativsten und lebensgefährlichsten gilt: der Waffe. Dabei entgehen der Person wichtige Informationen bezüglich des Täters (bspw. markante Gesichtszüge, Stimme, Kleidung) und des Settings. Im Englischen wird dieses Phänomen auch als tunnel memory bezeichnet. Ruft eine Situation im Gegensatz dazu positive Emotionen hervor, besteht kein Grund zur Fokussierung. Die Person weitet ihren Aufmerksamkeitsbereich, um möglichst viel in sich aufzunehmen und neue Möglichkeiten zu entdecken. Da diese Erinnerungen durch die Weite der Aufmerksamkeit nicht sehr detailreich sind, sind sie generell anfällig für Verfälschungen.
Besonders wichtig wird dieses Thema im juristischen Kontext. Oft stehen Augenzeugen unter enormem Stress, selbst wenn sie nicht Opfer einer kriminellen Tat wurden. Sie müssen dabei die Tat mehrmals durchleben. Dabei sind ihre emotionalen Erinnerungen sehr leicht beeinflussbar. So können sie unter anderem durch andere Augenzeugenberichte, durch (suggestive) Fragen von Beamten oder durch Medienberichte verfälscht werden. Es konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass die Negation von Ideen paradoxe Effekte haben kann, die möglicherweise den Zuhörer dazu veranlassen zu glauben, dass die negierten Ideen tatsächlich existierten. Wenn nun ein Zeuge gehört hat, dass etwas nicht stattgefunden hat, kann er sich nach einiger Zeit fälschlicherweise daran erinnern, dass es tatsächlich stattgefunden hat.
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