Kaum ein Buch des Neuen Testamentes ist den meisten Christen so unbekannt wie das letzte der biblischen Bücher, die Apokalypse; kaum ein Buch wird bei einer Zeitenwende wie beim Wechsel der Jahrtausende so intensiv gelesen – und missdeutet – wie dieses Buch, das man früher ziemlich ungenau als „Geheime Offenbarung“ bezeichnete. Der Verfasser ist ein uns sonst unbekannter Johannes, der wohl in der Kirche Kleinasiens eine Autorität war und dieses Buch um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert geschrieben hat.
Die Apokalypse ist keine Beschreibung einer düsteren
Zukunft; sie ist nicht die prophetische Vorhersage vom Weltende, mit der den
Menschen Schrecken eingejagt werden sollte. Sie ist kein Geheimbuch für wenige
Eingeweihte, sondern Wort Gottes und Offenbarung der Menschenfreundlichkeit
Gottes. Diese Güte Gottes verkündet der Verfasser den bedrängten Christen, die
unter den inneren Problemen von Spaltung und Irrlehren und unter äußerer
Verfolgung zu leiden haben; in manchen jungen Gemeinden in Kleinasien gibt es
schon Märtyrer, also Gemeindemitglieder, die für ihre Glaubensfestigkeit
sterben mussten. Natürlich fragen die Christen, wohin das alles führen soll,
etwa mit der Macht des heidnischen Kaisers und mit der Gewalttätigkeit auch der
jüdischen Mitbürger. Im Mittelpunkt ihres Fragens steht die Gerechtigkeit
Gottes: Wann wird sich Gott als der Gütige erweisen?
Darauf gibt der Verfasser Johannes eine ganz ausführliche
Antwort. Er tut es nicht in der Weise einer intellektuellen Darlegung, sondern
bedient sich der Bilder und Gleichnisse des Alten Testamentes, das den Lesern
ja vertraut war.
Und da findet der geschulte Bibelkenner viele apokalyptische
Aussagen; das Buch „Daniel“ etwa ist weitgehend eine Apokalypse; auch dieser
Teil der Bibel war ja als Trostbuch für bedrängte Menschen, im Alten Testament
natürlich Menschen des Volkes Israel, bestimmt. Auch im Neuen Testament gibt es
kleinere Apokalypsen, z.B. das 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums mit dem
anschaulichen Bild des Weltgerichtes, das ja von vielen mittelalterlichen
Künstlern in Stein gehauen oder in Bücher gemalt wurde. Und viele Apokalypsen
stehen nicht in der Bibel, sondern in außerbiblischen Büchern, z.B. in den
„Apokryphen“. Apokalypsen – das Wort Apokalypse bedeutet einfach „Offenbarung“,
„Entschlüsselung“ usw. – wurden in Krisenzeiten geschrieben; sie schilderten
eine dunkle, bedrohliche Situation, wie die Menschen sie erlebten, aber eben in
anschaulichen, oft sehr dunklen Bildern. Vor allem aber wollten die Apokalypsen
den bedrängten Menschen die Hoffnung darauf erschließen, dass alles ein gutes
Ende nimmt und dass Gott siegreich sein wird. Auch das wurde illustriert, z.B.
in dem wunderbaren Bild vom „neuen Jerusalem“. Christen durften die begründete
Hoffnung haben, dass Gott selbst der Baumeister einer guten Zukunft sein wird;
dass Gerechtigkeit sein wird; dass das Gute siegen wird.
In der Johannes-Apokalypse spielt besonders das „Lamm, das
geschlachtet ist“ eine überragende Rolle; es steht symbolisch für den getöteten
und auferweckten Jesus Christus. Das unterscheidet diese neutestamentliche
Apokalypse von anderen.
Insofern ist es völlig falsch, in der Apokalypse die bedrohliche Situations-Beschreibungen zu verselbstständigen und nur die Düsterkeit dieser Bilder zu beschwören. Daher kommt es ja übrigens, dass man in unserem Sprachgebrauch immer etwas Negatives, eine Katastrophe, ein Unglücks-Szenario meint, wenn man von „apokalyptischen Ereignissen“ spricht. Schade; denn nicht die Schreckensbilder sind der eigentliche Inhalt einer Apokalypse, sondern die großen Zukunfts-Verheißungen, die freilich nie abgehoben sind von der Gegenwart, sondern ganz im Gegenteil den Menschen Mut machen wollen, in der Gegenwart, auch in Zeiten der Bedrängnis, die Hoffnung nicht zu verlieren.
Das neue Jerusalem, in der Johannes-Apokalyse im 21. Kapitel
nachzulesen, ist eines der großartigsten Bilder für Gottes liebevolle Zuwendung
zu den Menschen und für Gottes unerschütterliche Treue.
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